Lektorat Schreibgewandt Logo

Im Schneckentempo

Im Schneckentempo

Ein chinesisches Sprichwort sagt:

Schildkröten können dir mehr über den Weg erzählen als Hasen.

 

Ich würde noch eins draufsetzen:

Schnecken können das noch besser.

Du wirst staunen, was du findest, wenn du ganz gemütlich gehst.

Wenn du anhältst und mit allen Sinnen wahrnimmst.

 

Ein Spaziergang im Frühling lohnt sich immer.

Und im Sommer und im Herbst und im Winter auch.

 

Du kannst die Spaziergänge einfach genießen.

Du kannst sie aber auch als Schreibanregung nutzen.

Oder als Erinnerungsimpuls.

 

Mach doch einfach mal einen Recherche-Spaziergang.

Ich habe die Methode in meiner Ausbildung zur Schreibpädagogin beim Institut für Kreatives Schreiben als „Schauschlendern“ kennengelernt.

Du sammelst damit Schreibanregungen und Details, die du nutzen kannst.

 

Wie funktioniert das genau?

Ganz einfach:

Schlendere entspannt durch die Gegend.

Du kannst dich auch ab und zu irgendwo hinsetzen.

Nimm mit allen Sinnen Details wahr, die dir besonders auffallen oder die dich ansprechen.

Zum Beispiel:

  • Geräusche und Gesprächsfetzen,
  • Gerüche,
  • Farben und Formen,
  • den Boden,
  • Menschen, Tiere und Pflanzen,
  • Einzigartiges und Unverwechselbares,
  • besondere Bauwerke und Kunstgegenstände wie Denkmäler.

 

Das Gesammelte kannst du als Grundlage für einen Text oder ein Gedicht nehmen.

Vielleicht so:

Sucht dir einen Gegenstand, eine Pflanze, ein Tier oder einen Menschen aus, der dich besonders anspricht oder auf den du aufmerksam geworden bist.

Das kann positiv oder negativ sein.

Dann kannst du eine Szene oder Geschichte aus dessen Leben schreiben.

Zum Beispiel:

  • Was hat das Gänseblümchen unter dem Busch schon erlebt?
  • Wem gehört die überquellende Mülltonne und warum liegt eine (scheinbar unversehrte) Puppe auf dem Müll?
  • Warum steht der Brunnen vor dem Rathaus und wie ist er dorthin gekommen?
  • Worüber unterhalten sich die beiden Frauen, von denen eine gerade gesagt hat: „Wenn er entlassen wird, müssen wir umdenken.“
  • Wie fühlt sich die Schnecke bei Trockenheit mitten auf dem breiten Fußweg?

 

Oder so:

  • Such dir einen Gegenstand aus, den jemand gemacht oder gestaltet hat, zum Beispiel ein Gebäude, einen Garten, ein Kunstwerk, einen Gegenstand.
  • Es kann etwas sein, das dich positiv oder negativ anspricht, das heißt zum Beispiel ärgert, verwundert, begeistert, überrascht, verwirrt …
  • Schreib einen Text, in dem du mit der Person in Kontakt trittst, die den Gegenstand erbaut, erschaffen oder gestaltet hat.
    Du kannst beispielsweise einen Dialog oder einen Brief schreiben.

 

Zum Beispiel:

Lieber Künstler, ich verstehe dich nicht. Was willst du mir mit deiner Skulptur sagen? Ein weiß bemalter Baum … Soll das Reinheit symbolisieren oder Schnee? Unschuld oder das Nichts? Oder stehe ich vor dem falschen Baum? Ist das einfach Kalkfarbe, die den Baum schützen soll? Die Beschilderung hier verwirrt mich ein wenig. Vielleicht hat jemand die Hinweispfeile verdreht …

 

Bestimmt findest du auch etwas, das deine Erinnerungen an dein eigenes Leben anregt.

Da plantschen ein paar Kinder im Bach.

  • Hast du das früher auch gemacht?
  • Wie hat sich das angefühlt?
  • Wer war dabei?
  • Was habt ihr genau gemacht?
  • Welche Gefühle verbindest du damit?

 

Oder du kommst an deiner alten Schule vorbei.

  • Wie hat es dort gerochen?
  • Was hast du dort gelernt?
  • Wer war in deiner Klasse?
  • Wo bist du im Klassenzimmer gesessen? Warum?
  • Hattest du einen Lieblingslehrer oder eine Lieblingslehrerin?

 

Schreib mir gerne deine Erfahrungen.

Oder schick mir einen Text, der so entstanden ist.

 

Ich werde jetzt auch spazieren gehen.

Ganz entspannt.

Schritt für Schritt.

Im Schneckentempo.

Beim Draußensein kann man den Kopf auch leeren.

Nicht nur füllen.

 

Alles Gute

Beate

Letzte Beiträge