Lektorat Schreibgewandt Logo

Todesfalle Rollregal?

Todesfalle Rollregal?

Vor ein paar Wochen war ich mit der Regionalgruppe der „Mörderischen Schwestern“ im Deutschen Literaturarchiv in Marbach.

Meine Erkenntnisse aus der zweistündigen Führung
(nur eine Auswahl 😊):

  • (Literatur-)Geschichte kann sooo spannend sein.
  • Original-Handschriften von Autorinnen und Autoren sind oft bewegend, berührend und erhellend.
  • Verhältnismäßig wenige Krimis gelten als „Literatur“.
  • Wer in diesem Archiv den Überblick behält, ist ein Genie.
    (Die Mitarbeiterinnen meinen aber, ihr guter Überblick liegt an einem ausgefeilten Ordnungssystem … Dann glaube ich das eben.)
  • Rollregale eignen sich nicht ohne Weiteres dafür, einen Mord zu begehen.

 

Manches war mir wirklich neu, an manches habe ich mich während des Gangs durch das verwinkelte, sehr gut gefüllte Archiv wieder erinnert.

Vor allem:

Recherche kann ziemlich aufwendig sein.

Aber: Sie kann Spaß machen und ist unverzichtbar.

Wenn ich gut recherchiere, zeige ich meine Wertschätzung gegenüber den Leserinnen und Lesern.

Wenn ich schlecht recherchiere, nehme ich Leserinnen und Leser nicht ernst.

Das gilt nicht nur für Sachtexte, sondern auch für Romane und Kurzgeschichten.

 

Ich schreibe gerade an einem Kurzkrimi, der 1983 spielt.

Der Rahmen ist die Menschenkette der Friedensbewegung von Stuttgart bis Ulm.

 

Wo bekomme ich Informationen her?

Klar: Internet geht immer.

Ich finde einen Film des SWR zu einem Jahrestag der Menschenkette.

Mit Zeitzeugen-Interviews und historischen Aufnahmen.

Ich finde Zeitungsberichte und Fotos.

Hinweise auf Ausstellungen und Bücher.

Ich finde Sponti-Sprüche und Friedenslieder.

 

Und ganz wichtig:

Ich bin selbst „Zeitzeugin“, weil ich das Ereignis damals bewusst (aber nicht vor Ort) miterlebt habe.

Doch mein Mann war direkt dabei. Und natürlich habe ich ihn nach seinen Erlebnissen und Gefühlen gefragt.

 

Das reicht für einen Kurzkrimi.

Für einen Roman würde ich tiefer gehen.

Mehr Infos sammeln.

 

Bei der Recherche besteht die Gefahr, sich zu verzetteln.

Man sucht und sucht und fängt nicht an zu schreiben.

Oder man probiert, alle recherchierten Fakten in der Geschichte unterzubringen.

Meist ist das keine gute Idee.

Vielleicht entstehen dadurch „Infodumps“.

Das heißt: mit Fakten überladene Stellen, die nur der Information der Lesenden dienen und nicht dem Fortgang der Geschichte.

Das Thema werde ich demnächst aufgreifen …

 

Also:

Man muss kein Experte, keine Expertin für ein bestimmtes Gebiet sein.

Aber wenn man darüber schreibt, sollte man vorher alles sammeln, was man braucht, um dieses Thema glaubwürdig darzustellen.

 

Wie und wo kannst du also Hintergrund-Infos für deine Geschichten bekommen?

Hier bekommst du ein paar Ideen ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Internet, Lexika, Fachbücher und -zeitschriften, Zeitungen,
  • Experten, Zeitzeugen oder Ortskundige befragen,
  • Archive, Akten, Museen, Ausstellungen, Bibliotheken,
  • Recherchereise, vor Ort am Schauplatz des Textes,
  • Filme, Fernsehen, Dokumentationen, Podcasts.

 

Doch nicht alle Quellen sind verlässlich.

Das heißt: Prüfe deine Funde, wenn du Zweifel daran hast.

Hole eine zweite oder dritte Meinung dazu ein.

Forsche nach, grabe tiefer.

 

Ein ganz besonderes Archiv ist das Deutsche Tagebucharchiv in Emmendingen.

Es hat sich zur Aufgabe gemacht, unveröffentlichte Tagebücher, Lebenserinnerungen und Briefe von nicht prominenten Personen zu sammeln, zu archivieren und fachgerecht aufzubewahren.

Über einen Online-Katalog und einen Rechercheservice kommt man an die (anonymisierten) Inhalte der Dokumente.

Liebesbriefe von 1874, Kriegserinnerungen von 1914, Tagebucheinträge von 1945.

Quellen aus erster Hand.

Wie toll ist das denn?

 

Was du zusätzlich zu den Fakten recherchieren kannst:

Wie fühlt sich deine Figur?

Was denkt sie?

 

Versuche, dich in die Figur einzufühlen, nimm ihre Perspektive ein.

Begib dich – wenn es möglich und nicht gefährlich ist – in die Situation der Figur. Beobachte, was sie beobachten würde.

Nimm mit allen Sinnen wahr, was sie wahrnehmen würde.

 

Auch in „fremden“ Romanen und Kurzgeschichten kannst du recherchieren.

Aber achte dabei auf die Urheberrechte.

Walter Moers schreibt:

„Bei einem Dichter klauen, ist Diebstahl, bei vielen Dichtern klauen, ist Recherche.“

Genau.

 

Und warum eignen sich Rollregale nicht ohne Weiteres als Mordwaffen?

Weil die Füße im Weg sind.

Bevor die Regale den Brustkorb zerquetschen und den Atem nehmen, bleiben sie an den Füßen hängen.

Ein paar Mörderische Schwestern haben das bei der Führung in Marbach getestet.

Vor-Ort-Recherche …

Aber es gibt bestimmt Möglichkeiten, das Fuß-Problem aus dem Weg zu räumen.

Denk mal drüber nach, wenn du Lust hast.

 

Da fällt mir ein:

Wenn du ein paar Mörderische Schwestern, andere Autorinnen und Autoren, Verlage und Bücher live und in Farbe kennenlernen möchtest, dann schau doch bei der 1. Stuttgarter Buchmesse am 9. März 2024 in der Schwabenlandhalle in Stuttgart herein.

Mehr Infos findest du hier: stuttgarter-buchmesse.de – Die Buchmesse in Stuttgart

 

Alles Gute

Beate

Letzte Beiträge