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Tataa, tataa, tataa …

Tataa, tataa, tataa …

Wenn ich in diesen Tagen den Fernseher anmache, springt mir die „närrische Zeit“ ins Gesicht, dröhnt in meinen Ohren, überzieht meine Haut mit klitzekleinen Pickelchen.

Ich fröstle. Schalte weiter oder gleich aus.

Als ob unsere Zeit nicht dauerhaft von Narren beherrscht würde …

 

Menschen tanzen auf Bänken.

Stehen dichtgedrängt bei Umzügen.

Vielleicht ist es gut, dass es so eng ist, weil sie nicht mehr alleine stehen können.

Sie klatschen, singen, grinsen.

Haben lächerliche Hütchen auf.

Verstecken sich hinter Masken und Verkleidungen.

 

Ich lasse ihnen gerne dieses Vergnügen, solange ich nicht dabei sein muss.

Und solange ich diese Sendungen nicht anschauen muss.

Du merkst es: Ich bin ein Faschingsmuffel.

(Bei mir in der Gegend sagt man Fasching, aber meine Abneigung gilt auch für Karneval, Fasnacht, Fasnet oder wie diese Feierlichkeiten anderswo genannt werden.)

 

Das war nicht immer so.

Meine erste Faschingsverkleidung war ein Zwergenkostüm.

Rote Zipfelmütze, roter Umhang. Fertig.

Ich war vielleicht zwei oder drei Jahre alt.

Es gibt sogar ein Foto davon.

 

Beim letzten Fasching, den ich gefeiert habe, war ich sechzehn oder siebzehn und bin als „Schlafwandlerin“ gegangen.

Weiße Zipfelmütze, weißes Oma-Nachthemd. Fertig.

So schließt sich der Mützenkreis.

Auch davon besitze ich – leider – ein Foto.

 

Dazwischen war ich immer Cowboy.

Und ich habe es gehasst, wenn mich jemand Cowgirl genannt hat.

Die Accessoires: Weste, Hut und Käpseles-Pistole (die hat geknallt, ganz besonders gerochen und niemandem wehgetan).

Trotzdem bin ich ein recht friedfertiger Mensch geworden.

(Auch wenn ich jetzt Mitglied bei den Mörderischen Schwestern bin und gerne Krimis lese.)

 

Ich spüre ein wenig in den Fasching hinein.

Suche Zitate. Will mir ein Bild machen.

Wann ist mir der Spaß an der Verkleidung verlorengegangen?

 

„Nach dem Fasching ist dann wieder Maskenzwang“, schrieb der Autor, Journalist und Aphoristiker Manfred Hinrich.

Zeigen die Menschen wirklich im Fasching ihre wahren Gesichter?

Das würde mich gruseln …

 

Aber vielleicht muss ich meine Einstellung überdenken.

Denn Oscar Wilde meinte:

Der Mensch ist am wenigsten er selbst, wenn er in eigener Person spricht. Gib ihm eine Maske, und er sagt die Wahrheit.

 

Und ein bekanntes Sprichwort heißt:
Kinder und Narren sagen die Wahrheit.

 

Selbst Edgar Allan Poe hat sich gewundert:
Erstaunlich, dass der Mensch nur hinter einer Maske ganz er selbst ist.

 

Aha.

Und was folgt daraus?

Bei mir: Fragen über Fragen.

Zeige ich mich wirklich, wie ich bin?

Nö.

 

Aber wie bin ich überhaupt?

Wer bin ich überhaupt?

Vielleicht bestehe ich aus verschiedenen Masken.

Vielleicht setze ich mich aus verschiedenen Rollen zusammen.

Vielleicht ist mein „Ich“ nur ein Puzzle.

Darüber muss ich nachdenken …

 

Es gibt wenige Stimmen unter den klugen Leuten, die meinen, dass man – zumindest bei bestimmten Gelegenheiten – keine Maske braucht.

Zum Beispiel Arthur Schnitzler:
Klugheit und Güte ziehen es vor, ohne Maske aufzutreten.

 

Es scheint, als ob uns unsere Masken schützen (nicht nur in Zeiten einer Pandemie).

Sie geben uns die Freiheit, wir selbst zu sein.

Irgendwie paradox …

 

Meine Güte, wohin hat sich dieser Text nur entwickelt?

Eigentlich wollte ich über den Fasching lästern.

Jetzt bin ich bei einem hochphilosophischen Thema gelandet.

 

Und natürlich hat der Karneval auch politische Aspekte.

Ganz schön viele, wenn ich mir (aus dem Augenwinkel) ansehe, wie die Politik durch den Kakao gezogen wird.

 

Und alt sind die Traditionen teilweise auch.

Schon vor rund 5.000 Jahren soll in Mesopotamien Fasching gefeiert worden sein.

Er gilt seit dem Mittelalter als letzte Möglichkeit, vor der christlichen Fastenzeit „die Sau rauszulassen“.

Die Maskenträger der schwäbisch-alemannischen Fasnet treiben lärmend den Winter aus und feiern die baldige Ankunft des Frühlings.

Und zu den süß gefüllten Berlinern sage selbst ich nicht „nein“.

 

Habe ich ein völlig falsches Bild vom Fasching?

Nö, glaube ich nicht.

Besoffene, die auf den Bänken stehen und singen „Da hat das rote Pferd sich einfach umgekehrt“ muss ich weiterhin nicht haben.

 

Aber die Sache mit den Masken lasse ich mir noch mal durch den Kopf gehen.

Fasching, Karneval, Fasnet, Fasnacht ist vielschichtiger, als ich es mir eingestehen möchte.

Und einen Krimi im „Narrenmilieu“ anzusiedeln, hat sicher seinen Reiz.

Ich werde in mich gehen …

 

Willst du vielleicht ergründen, ob du der Welt dein „wahres Gesicht“ zeigst?

Dann kannst du dir zum Beispiel folgende Fragen stellen:

  • Trägst du in deinem Alltag Masken? Welche?
  • Fühlst du dich dahinter frei?
  • Wie sieht (d)ein Leben ohne Maske(n) aus?
  • In welche Rollen schlüpfst du absichtlich oder unabsichtlich?
  • Hat sich das im Laufe deines Lebens geändert?
  • In welchen Rollen fühlst du dich wohl, in welchen unwohl?
  • Kannst du daran etwas ändern?

 

Das soll jetzt hier kein Coaching werden.

Aber Fragen können anregen, über etwas nachzudenken.

Tiefer zu gehen.

Hinter die Maske zu schauen.

 

Vielleicht willst du dazu einen Text schreiben.

Oder ein Bild malen.

Oder eine Collage kleben.

Oder, oder, oder …

Das geht übrigens das ganze Jahr.

 

Und ich suche jetzt ein Plätzchen ohne Faschingsgetröte.

Aber mit Berliner.

 

Tataa, tataa, tataa mit Gruß

Beate

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