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Rotkäppchen trägt heimlich Grün

Rotkäppchen trägt heimlich Grün

Der Wolf ist Veganer, der Jäger spielsüchtig.

Und die Geißenmutter ist Privatdetektivin.

Könnte eine fesselnde Geschichte werden …

 

Denn:

Figuren gehören zu den wichtigsten Elementen einer Geschichte.

Du fühlst mit ihnen, folgst ihren Gedanken und Handlungen.

Sie führen dich durch den Text.

Deshalb müssen die Figuren lebendig wirken.

Egal, ob die Figur ein Mensch, ein Frettchen oder ein sprechender Stein ist.

 

Kennst du den Animationsfilm „Sing“?

Ich finde ihn einfach wunderbar.

Der Film schafft es, mit einfachen Mitteln, den Figuren ein Profil zu geben und die Klischees gegen den Strich zu bürsten.

Das schüchterne Elefantenmädchen Meena möchte nichts lieber als singen, versagt aber wegen ihres Lampenfiebers.

Der Gorillajunge Johnny will kein Verbrecher werden wie sein Vater, sondern Musik machen.

Die Maus Mike ist überheblich, verspielt ihr Geld und hat Ärger mit einer Bande riesiger Bären.

Und die Vielfach-Mutter Rosita (eine „Haussau“ wie sie im Buche steht, die bisher nur für Mann und Kinder da war) schafft es fantasievoll, begabt und technisch versiert, ihren Traum zu verwirklichen.

 

Wie werden Figuren nun lebendig?

 Ganz wichtig ist:

Figuren dürfen nicht perfekt sein. Das ist langweilig.

Wer kann sich schon mit einer eierlegenden Wollmilchsau identifizieren, die alles kann, sich sozial engagiert, umwerfend aussieht und die besten Chancen auf den Physik-Nobelpreis hat?

 Figuren brauchen gute Seiten und schlechte Seiten.

  • Gib ihnen sympathische und unsympathische Charakterzüge.
  • Lass sie Dinge richtig und auch mal falsch machen.
  • Verpasse ihnen „Macken“ oder Geheimnisse.
  • Auch charakteristische Gesten, Mimik, Ausdrucksweisen oder ein passender Name helfen, der Figur Leben einzuhauchen.
  • Mach deine Figuren einfach einzigartig.

 

Hier ein paar Beispiele für Figuren mit Macken oder Geheimnissen:

  • Eine gefeierte Pop-Sängerin, der jedes junge Mädchen nacheifert, schnarcht in der Lautstärke eines Laubbläsers.
  • Ein durchtrainierter Muskelmann bekommt einen Schreikrampf, wenn er eine rote Schnecke sieht. (Die Schnecken mit Häuschen stören ihn nicht, warum hat er wohl dieses Schnecken-Trauma?).
  • Die freundliche Oma, die den guten Apfelkuchen backt, klaut im Supermarkt manchmal Schokolade (obwohl sie genug Geld hätte, sie zu kaufen).
  • Ein Polizist geht immer bei Rot über die Ampel, wenn gerade niemand hinschaut.

 

Woher bekommst du Ideen für deine Figuren?

Um Figuren zu entwickeln, kannst du Menschen beobachten und dir einzelne Aspekte von ihnen abschauen.

Auch von Filmfiguren, Fotos, Buchcharakteren, Kunstwerken oder Theaterstücken kannst du dich anregen lassen.

 

Mische die einzelnen Eigenschaften, Haltungen, Einstellungen, Erfahrungen und das Aussehen gut durch.

Setz sie zusammen wie ein Mosaik.

Die Personen, die du als Vorbild nimmst, sollten nicht erkennbar sein.

Damit stellst du sicher, dass du keine Persönlichkeitsrechte von „echten“ Personen verletzt oder – bei Inspirationen aus Kunst und Kultur – kein geistiges Eigentum klaust.

 

Den Rest erledigt deine Fantasie und dein (schreib-)handwerkliches Geschick.

Du erschaffst aus den Einzelteilen etwas Eigenes und Einzigartiges.

 

Für kurze Texte reichen oft ein paar charakteristische Merkmale und Eigenschaften.

Für lange Texte wie Romane solltest du die Figuren detailliert ausarbeiten.

Du musst alles über sie wissen, auch wenn es im Text gar nicht auftaucht.

Das hilft dir, sie lebendig und in all ihren Facetten darzustellen und dabei keine logischen Fehler bzw. Darstellungsfehler zu machen.

 

Beispiele für logische Fehler:

  • Eine Figur hat zuerst blaue Augen, ein paar Seiten weiter sind ihre Augen grün. (Ohne dass sie farbige Kontaktlinsen trägt.)
  • Über eine Figur wird anfangs gesagt, dass sie keinen Führerschein hat. Später sitzt sie ganz selbstverständlich am Lenkrad eines Autos.

 

Um die Figuren gut kennenzulernen, kannst du für sie eine Art Steckbrief und Lebenslauf schreiben.

Nimm alle Merkmale, Eigenschaften, Träume, Wünsche, Ängste auf und alles, was sonst noch wichtig ist.

Zum Beispiel:

  • Aussehen: Augenfarbe, Haarfarbe, Frisur, Größe, Merkmale wie Narben oder Haare an den Beinen,
  • Alter und Geburtsdatum,
  • Herkunft, Familie und sozialer Hintergrund,
  • Hobbys, Gewohnheiten und Tagesablauf,
  • Bildung und Beruf,
  • charakteristische Gesten, Mimik oder sprachliche Ausdrücke,
  • bester Freund und schlimmster Feind,
  • Stärken und Schwächen.

 

Interview mit einer Figur:

Das ist spannend, das kannst du mir glauben.

Du musst nur deine Persönlichkeit spalten …

 

Überlege dir, was du von deiner Figur wissen willst.

Und dann frag sie einfach danach.

Am besten schriftlich.

Du wirst staunen, was sie antwortet.

Meine Figuren machen sich dabei immer selbstständig und erzählen mir Dinge über sich, die ich nie vermutet hätte.

 

Menschliche Figuren können „ganz normal“ sein.

Sie können aber auch magische oder übernatürliche Eigenschaften oder Fähigkeiten haben.

Das kennst du sicher aus vielen Büchern, Comics und Filmen von Märchen über Harry Potter bis zu Spiderman.

 

Doch natürlich müssen nicht alle Figuren Menschen sein.

Es gibt zum Beispiel auch:

  • Tiere (zum Beispiel in Katzenkrimis),
  • Feen, Elfen und Zwerge,
  • Geister, Dämonen und Gespenster.

 

Sogar Dinge können Figuren sein.

Zum Beispiel:

  • der Stift, mit dem du schreibst,
  • dein Esstisch oder
  • der Zauberspiegel bei Schneewittchen.

 

Fantasie-Wesen, Tiere oder Dinge verhalten sich meist ähnlich wie Menschen.

Aber über sie kannst du den Geschehnissen eine neue Perspektive geben.

Neulich habe ich mir überlegt, dass ich dringend eine Geschichte aus der Perspektive einer Eintagsfliege schreiben sollte.

Hab’s aber noch nicht geschafft.

 

Und Kombinationen sind immer möglich.

Werwölfe und Meerjungfrauen, Zebra-Menschen oder menschliche Zebras, lebendige Bienen-Steine oder steinerne Bienen, Katzen-Elfen oder elf Arten von Katzen-Dinos, hexende Pizzaboten oder verzauberte Boote aus Pizzateig.

 

Oh, die Fantasie geht gerade mit mir durch …

 

Hast du Lust bekommen, Figuren zu erfinden?

Schick mir gerne deine Ideen.

 

Viel Spaß und Grüße

Beate

 

 

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