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In der Lebensschreiberei

In der Lebensschreiberei

… gibt es manche Leckerei …

Und, klingelt’s?

Erinnern dich die ersten Worte dieses Beitrags an etwas?

Vielleicht an ein Lied?

Mal alle die Hände in die Luft, die eine Idee haben.

Hui, so viele?

Ihr habt recht: In der Weihnachtsbäckerei …

Rolf und seine Freunde lassen grüßen.

 

Und ich sage: Herzlich willkommen!

Schön, dass ihr (wieder) hierher gefunden habt.

 

Was die Lebensschreiberei und die Weihnachtsbäckerei gemeinsam haben?

Außer dem Rhythmus der Wörter?

Eine ganze Menge.

 

Ich erzähle euch meine Geschichte dazu.

Es weihnachtet sehr und alle Jahre wieder gibt es bei mir die besten Vanillekipferl (die ich kenne).

Ich backe sie (fast) jedes Jahr, seit ich in der 7. Klasse in der Koch-AG war.

Sie sind perfekt – für mich.

Wenn ich in der Küche stehe, wenn ich Mehl, Mandeln, Zucker, Vanillezucker und Butter verknete, gehe ich auf Zeitreise.

Um mich herum wuseln dreizehn Mitschülerinnen und zwei verirrte Mitschüler, die sich – aus Versehen oder ganz bewusst, wer weiß das schon bei Jungs in diesem Alter – zum Kochen und Backen angemeldet haben.

Es gab so viele Anmeldungen, dass gelost werden musste, wer mitmachen darf.

Wir sind also die Glücklichen.

Wir lernen, wie man kocht und backt.

Zum Beispiel:

  • Spaghetti mit Tomatensoße,
  • Donauwellen,
  • Toast Hawaii,
  • paniertes Schnitzel
  • und einen scheußlichen Reissalat, der bei den meisten in der Kloschüssel versinkt (vor dem Essen).

 

Alles 80er-Style.

 

Am Anfang ist es wie immer:

Ich werde von den meisten ignoriert, stehe am Rand und werde als Letzte in eine Gruppe gewählt.

Bis sich herausstellt: Die kann ja kochen und backen.

Plötzlich will jede*r in meiner Gruppe sein, will Tipps und Tricks, will sich einschleimen.

Boah, wie nervig.

Ignoriert zu werden ist manchmal gar nicht so schlecht.

Zumindest von Mitschülerinnen, die grüne Pullunder mit Zopfmuster über ihrer weißen Bluse tragen.

Die sich die Haare toupieren und sich Rouge auf die Wangen tupfen.

Die Spandau Ballett und Roxy Music hören.

Immer adrett, immer up to date.

 

Ich ziehe meine selbst gehäkelte Wolljacke an, bis sie auseinanderfällt. Den anderen Kleidern geht’s bei mir nicht besser. Nachhaltig – schon damals …

Ich wasche meine Haare täglich und dusche regelmäßig, aber das war’s auch schon mit meiner Körper- und Schönheitspflege.

Die Musik, die ich höre, kommt nur selten im Radio.

Natürlich gibt es Menschen, von denen ich nicht ignoriert werden möchte.

Aber was soll’s. Sooo toll sind die auch wieder nicht.

 

Ich schüttle den Kopf und kehre zurück in die Gegenwart –
und in die Küche.

Kurz überlege ich, ob meine Erinnerungen wahr sind.

Ob die anderen sie genauso empfinden würden.

Doch das ist müßig.

Denn ich weiß genau, dass jeder Mensch seine eigene Wahrheit hat.

 

Zuerst krümelt der Teig zwischen meinen Fingern.

Alle Zutaten bleiben für sich.

Ich knete weiter.

Mandeln und Mehl schmiegen sich an die Butter.

Kriechen hinein.

Vereinigen sich.

Der Zucker löst sich auf.

Geht eine innige Verbindung mit den anderen ein.

Sie halten zusammen.

So, wie es sein soll.

Alle mit allen und alle in einem.

Bis ein wunderbar geschmeidiger Teig entsteht.

Nichts klebt mehr.

Ich streichle die seidige Oberfläche mit den Mini-Mandel-Widerhaken.

Ich forme eine Kugel.

Schnuppere den süßen Mandel-Butter-Vanille-Duft.

Zwicke mit zwei Fingernägeln ein winziges Stück des Teiges ab.

Zerreibe ihn zwischen Zunge und Gaumen. Mmmmm.

Und dann: Ab in den Kühlschrank (Teig).

Ab auf die Couch (ich).

 

Ruhezeit.

Vielleicht lege ich ein paar Lieder von „damals“ auf und döse vor mich hin.

Vielleicht denke ich daran, wie ein paar Mitschülerinnen probiert haben, mich bei den anderen „beliebter“ zu machen (ich war für ein paar Wochen eine Art Versuchskaninchen für sie).

Vielleicht schalte ich meine Gedanken einfach aus.

 

Jede Erinnerung ist es wert, aufgeschrieben zu werden.

Meine Vanillekipferl-Erinnerungen stehen in einem Heft.

Aber sie wachsen und gedeihen.

Jedes Jahr treiben sie neue Blüten.

Die Vanillekipferl sind wieder zum Dahinschmelzen. Mürbe und zart.

 

Ihr wollt das Rezept?

Schreibt mir einfach.

Ich teile gerne.

 

Und weil es hier nicht nur um körperlichen Genuss geht:

Welche Gerichte schicken euch auf Zeitreise?

Was fühlt ihr dabei?

Schreibt es einfach auf.

In eurer Lebensschreiberei.

Ich wünsche euch viele spannende Erinnerungen.

 

Gruß und Schluss

Beate

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