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Eins – zwei – drei

Eins - zwei - drei

Heute bekommst du eine Geschichte zur Unterhaltung.

Aber sie zeigt auch, was man mit Dialogen darstellen kann.

Sie besteht nämlich nur aus Dialogen.

Schreib mir gerne deine Meinung dazu.

Los geht’s:

 

Eins – zwei – drei

„Ich tanze nicht.“

„Sei kein Frosch, Oma. – Schau nicht so. Das sagst du selbst, wenn ich etwas nicht anpacke, was andere wichtig finden. – Mama meint, du warst früher immer die Walzerkönigin. Warum kannst du nicht mit mir üben?“

„Ich tanze nur mit deinem Großvater. Such dir jemand anderen.“

„Es gibt niemanden, mit dem ich den Herrenschritt probieren kann. Das soll erst mal ein Geheimnis bleiben.“

„Warum musst du das überhaupt lernen?“

„Mensch, Oma, warst du denn nie jung? Wolltest du nie jemanden beeindrucken? Etwas ganz Besonderes für ihn tun?“

„Das ist schon lange her. Heute fühle ich mich wie 120. Und ich wollte nie etwas anderes sein, als ich bin. Eine Frau. Kein Mann.“

„Tante Birgit hat erzählt, dass damals oft zwei Frauen miteinander getanzt haben, wenn es nicht genügend Männer gab.“

„Das war etwas anderes. Und überhaupt: Ich tanze nicht und ich glaube, du musst jetzt gehen.“

*****

„Ich tanze nicht. Hast du mich nicht verstanden?“

„Hör dir wenigstens diese Musik an. Kennst du das Lied aus deiner Jugend? Es ist so romantisch. Man möchte sich an jemanden schmiegen, den man gernhat, und sich im Kreis drehen bis einem schwindelig wird.“

„Mach das sofort aus. Sofort. Aus.“

„Oma, komm zurück. Ich hab es nicht böse gemeint. Oma!“

*****

„Hast du noch nicht genug? Willst du mich weiter quälen?“

„Ich will dich nicht quälen, Oma, ich will nur, dass du mir hilfst.“

„Frag doch deine Mutter.“

„Das hat keinen Zweck. Du kennst sie: Ein Taktgefühl wie ein kaputter Morseapparat – am Ende kommt immer das falsche Wort raus. Oder der falsche Schritt. Musst nicht so gucken, ich hab sie trotzdem lieb. Wir haben es zusammen probiert, aber es haut nicht hin.“

„Mit mir bestimmt auch nicht. Dein Großvater hat hinreißend geführt. Ich musste nur mitschwingen. Ich kann dir nichts beibringen.“

„Ist auch nicht nötig, Omilein. Ich weiß, was ich zu tun habe, aber ich muss es mit einem echten Menschen trainieren. Allein vor dem Spiegel merke ich nicht, ob ich meiner Partnerin auf die Zehen trete.“

„Aber mir kannst du wehtun! Ich bin doch kein Schuhabstreifer. Warum suchst du dir nicht einen netten jungen Mann zum Tanzen. Alles wäre viel einfacher.“

„Ach, Oma, ich steh nun mal nicht auf Männer.“

„Papperlapapp, du hast nur noch nicht den richtigen gefunden. – Lea, Kind, so war das nicht gemeint. Bleib hier.“

*****

„Du bist ein Sturkopf. Wie dein Großvater. – Brauchst gar nicht so zu grinsen.“

„Erzähl mir von ihm. Von euch. Von früher. Wie habt ihr euch kennengelernt?“

„Was interessierst du dich für die ollen Kamellen? Du hast ihn selbst erlebt. Er war rechthaberisch und anstrengend. Aber ich hatte mich so an ihn gewöhnt. – Ja, und ich habe ihn geliebt. Jetzt weißt du es. Und deshalb kann ich nicht mit jemand anderem tanzen.“

„Liebst du mich nicht, Oma?“

„Natürlich, mein Kind, aber anders. Das kann man nicht vergleichen.“

„Warum nicht? Du hast mich auch geknuddelt und geküsst, als ich klein war. Warum kannst du mich nicht mehr in den Arm nehmen?“

„Ich weiß es nicht. Vielleicht hat dein Opa meine ganze Zärtlichkeit und Wärme mit ins Grab genommen. Ich stelle mir oft vor, wie er sich damit zudeckt und einmummelt.“

„Ein schöner Gedanke. Aber hat er nichts von seinen Gefühlen für dich hiergelassen? Spürst du nicht mehr, wie er dich umarmt? Wie er dir mit einem Lausbubenlächeln zublinzelt? Ich weiß es noch gut.“

„Lea, ich glaube, das wird mir zu viel. Wir sehen uns nächste Woche.“

*****

„Was ist denn hier passiert? Ist dein Teppich in der Reinigung?“

„Nein, er liegt da hinten. Man braucht einen glatten Boden zum Tanzen. – Krieg dich wieder ein, Lea. Das ist nur ein Versuch.“

*****

„Na, hast du deine Herzensdame erobert? – Was ziehst du denn für eine Schnute?“

„Ach, Oma, sie hat mich sitzenlassen. Einfach so. Sie ist schon vor dem ersten Walzer auf und davon. Mit einem schnöseligen Banker oder sowas. Wäre ja schön gewesen mit mir, aber jetzt hat sie gemerkt, dass es nur so eine Phase war. Blablabla.“

„Der zieh ich die Ohren lang. – Glaubst du, das kann ich nicht? Ich war berühmt für meine linken Haken. – Schau nicht so bedröppelt. Wer dich nicht möchte, ist selbst schuld. Auf, lass uns tanzen.“

 

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