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Einfach ist nicht immer leicht

Einfach ist nicht immer leicht

Einfach ist nicht immer leicht

Als Werbetexterin treibe ich mich in verschiedenen beruflichen Netzwerken herum.

Ich kenne mich mit den Inhalten aus, das hab ich ja gelernt.

Trotzdem sitze ich manchmal vor Formulierungen und grüble.

Ich überlege, warum jemand „Recap“ schreibt anstelle von: „Rückblick“ oder „Ich fasse kurz zusammen“.

Ich frage mich,

  • warum man Konkurrenz „outperformen“ und nicht einfach „übertreffen“ soll,
  • warum der „Key to success“ nicht einfach der „Schlüssel zum Erfolg“ sein kann,
  • warum ein „Sales Call“ nicht einfach „Verkaufsgespräch“ genannt wird.

 

Steckt in den englischen Begriffen wirklich so viel mehr Inhalt als in den deutschen?

Schwingt etwas mit, was ich nicht kapiere?

Das glaube ich kaum.

Natürlich hat jeder Beruf eine Fachsprache, die nicht alle „Fachfremden“ verstehen müssen.

Aber wenn ich mit Kundinnen und Kunden spreche, muss ich doch auch dafür sorgen, dass sie mir folgen können.

Deshalb bin ich überzeugt: Es geht verständlicher – ohne Inhaltsverlust, aber mit etwas mehr Denkarbeit.

 

Und schon sind wir bei der Leichten und der Einfachen Sprache.

Ein etwas schräger Übergang, ich weiß, aber ich musste das da oben einfach mal loswerden. 😉

 

Vor einiger Zeit habe ich dir versprochen, hier den Unterschied zwischen Leichter und Einfacher Sprache zu erklären.

Jetzt ist es so weit.

Vielleicht wunderst du dich, dass ich in meinen früheren Beiträgen dazu das Wort „einfache“ noch kleingeschrieben habe. Zu dieser Zeit war diese Schreibweise noch weit verbreitet. Nun gibt es die DIN 8581, in der „Einfache Sprache“ großgeschrieben wird.

Damit hat sich der Begriff der „Leichten Sprache“ angepasst, die als Eigenname schon lange großgeschrieben wird.

Dieses DIN-Dokument trifft „sprachspezifische Festlegungen“ für die Einfache Sprache und ist damit eine Art deutschlandweites Regelwerk, das die Vorgaben für Einfache Sprache konkret darstellt.

Es bezieht sich auf das Schreiben von Sachtexten, kann aber auch für andere Textsorten verwendet werden.

Für die Leichte Sprache ist etwas Ähnliches geplant. Doch nachdem im vergangenen Jahr ein Entwurf veröffentlicht wurde, habe ich nichts mehr davon gehört.

 

Also:

Einfache Sprache besteht unter anderem aus kurzen Sätze bis zu 15 Wörtern, einfachen Satzstrukturen und einem gut verständlichen Wortschatz.

Die Texte sind übersichtlich gegliedert, nutzen eine gut erkennbare Schrift und sind möglichst kurz.

Doch genau so wichtig ist es, die Lesenden im Blick zu haben. Man berücksichtigt beim Schreiben, wer den Text liest bzw. verstehen soll. Und man bedenkt, in welcher Situation sich die Lesenden wahrscheinlich befinden:

  • Können sie den Text konzentriert und in Ruhe lesen oder müssen sie ihn schnell verstehen können?
  • Welches Vorwissen bringen sie mit?
  • Mit welcher Motivation lesen sie den Text?

 

Deshalb kann der Schwierigkeitsgrad der Texte unterschiedlich sein. Und trotzdem ist alles Einfache Sprache.

Für die Lesenden soll es einfach sein, die wichtigen Informationen im Text zu finden und zu verstehen. Nicht nur einzelne Sätze müssen gut verständlich sein, sondern der Text als Ganzes.

Die DIN 8581 sieht als Zielgruppe für Einfache Sprache ausdrücklich nicht Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, also Menschen mit einer geistigen Behinderung. Sie ist eher für Menschen gedacht, die (noch) nicht gut Deutsch können oder für sogenannte „gering literalisierte“ Menschen, die zwar deutschsprachig sind, aber nicht (gut) lesen und schreiben können – und das sind in Deutschland über 10 Millionen.

Meiner Meinung nach können alle Menschen von Einfacher Sprache profitieren, auch Menschen, die gut lesen können und Menschen mit geistiger Behinderung.

Sie ist eine Art „Mittelweg“ zwischen der Standard- oder Alltagssprache und der Leichten Sprache.

 

Die Leichte Sprache ist die am besten verständliche Form der deutschen Sprache.

Das heißt zum Beispiel:

  • noch kürzere Sätze als die Einfache Sprache,
  • noch übersichtlichere Satzstrukturen, möglichst keine Nebensätze,
  • noch besser verständliche Wörter,
  • noch größere Schrift und übersichtlichere Darstellung.

 

Die Leichte Sprache wurde gezielt für die Bedürfnisse von Menschen mit geistiger Behinderung entwickelt. Viele davon sind und waren bei der Ausarbeitung der meisten Regelwerke beteiligt.

Zusätzlich gilt für die Leichte Sprache, dass Grafiken den Text ergänzen und so für bessere Verständlichkeit sorgen.

Bestandteil der meisten bestehenden Regelwerke ist die Prüfung des Textes durch eine sogenannte Prüfgruppe. Menschen mit Behinderung prüfen dort Texte und geben ihre Einschätzung dazu ab.

Die Mitglieder der Prüfgruppe können sagen:
Das verstehen wir. Das ist gut.

Oder: Das verstehen wir noch nicht.
Wir brauchen einfachere Sätze und Wörter.
Wir brauchen bessere Erklärungen.

Erst wenn die Prüfgruppe sagt, dass der Text gut verständlich ist, darf man sagen: Dieser Text ist in Leichter Sprache.

 

Leichte Sprache und Einfache Sprache können viel.
Aber nicht alles.

Es gibt Texte, die so komplex sind, dass sie nicht komplett in Leichte oder Einfache Sprache übertragen werden können.

Besonders die Leichte Sprache kann durch das begrenzte Vokabular und die einfache Struktur eintönig wirken.

Und Sprachspiele, Sprachwitz oder Ironie müssen außen vor bleiben.

In Sachtexten ist das aber egal.

Wichtig ist: Texte in Leichter und Einfacher Sprache tragen dazu bei, Informationen besser verständlich zu machen und damit mehr Teilhabe für viele Menschen zu erreichen.

Um sie zu schreiben, braucht man Wissen und Erfahrung. Es ist wie beim Trampolin-Springen: Sieht federleicht aus, aber es steckt viel Arbeit drin.

 

Und weil es bisher um Sachtexte ging, ich aber meist Geschichten schreibe:

Literarische Texte in Leichter oder Einfacher Sprache können unterhaltsam, berührend und spannend sein.

Doch sie zu schreiben, ist kein Kinderspiel. Für mich ist es eine eigene „Kunstform“, die viel mehr Öffentlichkeit verdient hat.

 

Deshalb hier noch mal der Werbeblock:

Die Lebenshilfe Berlin hat im Rahmen des diesjährigen Literaturpreises „Die Kunst der Einfachheit“ den Band „Heimat“ herausgegeben.

Er vereint sehr lesenswerte Texte in Einfacher Sprache – bewegend und hochaktuell. Und ein Text von mir ist auch dabei …

Hier kannst du es bestellen: https://www.lebenshilfe-berlin.de/de/leichte-sprache/Buecher/index.php

 

Alles Gute

Beate

 

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